Kunstschaffende
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Egbert Moehsnang (1927-2017)
Bürgerort: Schüpfen (BE)
Schaffensort: Bern
Egbert Moehsnang wächst in einer wohlhabenden bayrischen Familie auf, bis das öffentliche Leben Mitte der 1930er Jahre der Nazi-Willkür ausgesetzt ist. Im Verlaufe des Krieges wird er als Jugendlicher in den Wehrdienst eingezogen. Über diese und die nachfolgenden Jahre lässt er zeitlebens kaum mehr als einen Satz verlauten: «Der Krieg und die Zeit danach: viel Hunger, viel Leid, viel Tod.» Das Erfahrene sollte ihn unauslöschlich bis an sein Lebensende begleiten und auch zu einem Nährboden für seine Kunst werden. 1950 kommt Moehsnang nach Bern, wo er bald Anschluss an die lokale Kunstszene findet, auch wenn er aufgrund seiner traumatischen Kriegserlebnisse, die den diesbezüglich weitgehend unbelasteten Schweizer Künstlerkollegen abgingen, «doch ein Fremdling bleibt», wie der Kunstkritiker und Schriftsteller Paul Nizon in der Monografie von 2003 schreibt. Nach vielen Jahren im legendären Künstlerhaus an der Postgasse 20 verlässt Moehsnang 1970 Bern. Im ländlichen Schüpfen richtet er sich neu ein und ist dort bis zu seinem Tode tätig. Ab 1955 stellt Moehsnang aus, in Bern etwa in den Galerien Schindler und Kornfeld sowie in Gruppenausstellungen in der Kunsthalle. 1957 erhält er das Aeschlimann Corti-Stipendium, 1987 und 2007 richtet ihm das Kunstmuseum Bern Einzelausstellungen aus.
Moehsnangs künstlerisches Werk spannt sich über fast sieben Jahrzehnte. Es gründet in autodidaktischen Studien, etwa der Meister der Frührenaissance, deren Bildstrukturen und Techniken der Ölmalerei sowie des Kupferstichs, aber auch in einer intensiven Auseinandersetzung mit Paul Klees bildnerischem Denken. Wesentliche Impulse erhält Moehsnang durch die in Bern in den 1950er Jahren durch Arnold Rüdlinger vermittelten Avantgarden des französischen und amerikanischen Informel. Auch wenn sein Ausdruck mehrheitlich abstrakt bleibt, ergründet er in vielen seiner Werkserien in geradezu akribischer Weise mythologische Themen und setzt sich so mit einem Humanismus auseinander, der sich in klassischer Weise auf antike Vorstellungen beruft. Zeitlebens verfolgt er nur ein Ziel, nämlich seine Kunst aus einer inneren Notwendigkeit heraus zu schaffen. In seinem Werk geht es nicht darum, die Welt zu illustrieren oder zu kommentieren. Vielmehr arbeitet er sich unaufhörlich daran ab, eine «Wahrhaftigkeit», wie er es selbst nannte –, eine verlorene Ganzheit – wiederzuerlangen.
Nebst dem umfangreichen malerischen und zeichnerischen Œuvre gibt es von Moehsnang ortsbezogene Auftragswerke, darunter Altarbilder, Glasmalereien, Reliefs, Skulpturen und Wandteppiche. Eines seiner Verdienste liegt darin, dass er den Kupfertiefdruck wiederbelebt und zu ungeahnten Resultaten geführt hat. So erlegte er dem langsamen, weil widerständigen Medium des Kupferstichs eine expressive, abstrakt-gestische Formensprache auf. Andererseits erweiterte er die Möglichkeiten der Radierung mit Hilfe digitaler Techniken, so dass seine Drucke plötzlich monumentale Dimensionen annehmen.
Moehsnang gilt zwar als ein Vertreter des Schweizer Informel; dieses Etikett vermag ihm aber nicht gerecht zu werden. Sein Schaffen zeichnet sich ebenso sehr durch eine stilistische Offenheit, eine Vielzahl an verwendeten Techniken und Vielfalt der Materialien aus. Der Mensch Moehsnang mag als ein Einzelgänger in Erinnerung bleiben – auch der Künstler Moehsnang ist ein Sonderfall: Sein Werk zeugt von Konsequenz und einer künstlerischen Haltung, die zu seiner Zeit in der Schweiz nur wenige Parallelen kennt.
Text: Peter Fischer: «Egbert Moehsnang».
In: SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz, 2020.
https://recherche.sik-isea.ch/sik:person-4002151/in/sikart
SIKART Lexikoneintrag: PDF
Lebenslauf und weiterführende Informationen: https://moehsnang.ch